Barbara Honigmann
Alles, alles, LiebeLiebe Eva! Das erste Wort, das ich in Prenzlau hörte, war „Zigeuner“. Jemand rief es mir nach, kaum daß ich ein paar Schritte aus dem Bahnhof getan hatte, auf der Suche nach meinem Hotel. Aber soviel ich mich auch umgesehen habe, da war kein Mensch und kein Hotel, weit und breit ….“ Diese Zeilen schreibt Anna, die im November 1975 ihre erste Stelle als junge Regisseurin am Theater in Prenzlau antritt, an ihre Freundin Eva. Anna hat ihre Freunde, ihre Mutter, ihren Geliebten Leon, ihr bisheriges Leben in Berlin zurückgelassen. Zwei Monate bleibt sie in der Provinz, die keine Idylle ist und in der sie als Frau und Jüdin fremd bleiben muß. In den Briefwechseln steckt die Sehnsucht und Verzweiflung einer Generation. In Barbara Honigmanns beeindruckendem Briefroman „Alles, alles Liebe“ wird die ostdeutsche Vergangenheit der siebziger Jahre lebendig, voller Atmosphäre, aber ohne jede Sentimentalität.
Barbara Honigmann, geboren 1949 in Ost-Berlin, wohin ihre Eltern aus dem Exil zurückgekehrt waren. Sie arbeitete als Dramaturgin und Regisseurin, seit 1984 lebt sie in Straßburg. Bisher erschienen „Roman von einem Kinde“ (1986), „Eine Liebe aus nichts“ (1991), „Soharas Reise“ (1996), „Am Sonntag spielt der Rabbi Fußball (1998), „Damals, dann und danach“ (1999), „Alles, alles Liebe“ (2000) im Hanser Verlag. Sie ist die Kleist-Preisträgerin des Jahres 2000.
Di 12. Dezember 2000, 20:00 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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