Begrenzte Räume. Literatur und Gefangenschaft

„Meine Augen stoßen überall an. Alles ist mir zu nah. Es gibt keinen Ausblick. Wo ist die Ferne? Wo sind die Flächen?“ (Emmy Hennings, Gefängnis) Das Gefängnis als Disziplinarmacht, als Institution „der normierenden Sanktion“ (Michel Foucault) und der Durchsetzung einer jeweils für gültig erklärten Ordnung legitimiert sich durch den vorgeblichen Anspruch der resozialisierenden Wirkung des Freiheitsentzugs. Für diejenigen, an denen Strafe vollzogen wird, ist es eine existentielle Erfahrung von Auslieferung und Ausgeliefertsein, eine Erfahrung der Totalität von Kontrolle, des Mangels an Handlungsmöglichkeit, an Intimität, an Selbstbestimmtheit und Privatleben, der Mechanismen von Selbstentfremdung und Aufgabe des Ich: „Da draußen gibt’s dich nicht, in der Zukunft gibt’s dich nicht, in der Freiheit gibt’s dich nicht.“ (Andrzej Stasiuk) In der Literatur aus dem bzw. über das Gefängnis scheint die polare Konstellation der Begrenztheit des Raums und der als unbegrenzt erfahrenen Haft-Zeit strukturbildend zu sein. Die Ambivalenz von Hier und Dort, von Drinnen und Draußen ist nicht nur thematisch, sondern sie wird auch formal umgesetzt. Sie begründet eine fragmentierte Textstruktur und eine Schreibweise, die sich bestimmt durch das Gegeneinander äußerer und innerer Realitäten: Den unausweichlichen Gegebenheiten des Gefängnisalltags steht die Sehnsucht nach Ausbruch und Grenzüberschreitung gegenüber und als einzige Strategie der Ausflucht jene in das Surreale, in die Phantasie, in einen Raum, der der Überwachung entzogen ist. Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck – wird die Schriftstellerin und Literaturvermittlerin Petra Nagenkögel verschiedenen Formen literarischer Auseinandersetzungen mit Gefangenschaft und Gefängnis anhand ausgewählter Texte (u.a. von de Sade, Dostojewski, Kafka, Jean Genet, Andrzej Stasiuk, Drago Jancar, Emmy Hennings, Wole Soyinka, Vaclav Havel) nachgehen.
Do. 14. Oktober 2010, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |

Konfliktfelder
Seit den Anfängen der Literatur ist Krieg eines ihrer zentralen Themen – das Gilgamesch-Epos und die Ilias seien genannt. Kriege waren auch in den Jahrzehnten des Friedens, in denen sich Europa wähnte, vielfach Realität – wenn sie auch Konflikt genannt wurden. Konflikte und Kriege finden nicht nur zwischen Staaten, Nationen, Ethnien, sondern auch im alltägllichen Miteinander statt, Familien und Beziehungen sind ein weites Feld. Und doch oder gerade deswegen ist es wichtig, diese Konfliktfelder zu betrachten – die Literatur schaut genau hin. Ines Schütz und Manfred Mittermayer tun es auch – mit ihrem Programm der 54. Rauriser Literaturtage. ...
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