Die Erfindung der Liebe
Unsere Vorstellungen von Liebe und Sexualität sind keineswegs natürlich, sondern sie haben ihre Geschichte. Erst mit der Herausbildung des Bürgertums wird die Familie in scharfer Opposition zum Adel der einzige legitime Ort der Ausübung von Sexualität, die, mit Zuneigung gekoppelt, zum neuen Konzept der Liebe wird. Es ist nicht zuletzt die Literatur, die den Entwurf, die Verbreitung und schließlich die Durchsetzung dieses Ideals und der damit verbundenen Geschlechterrollen übernimmt. In den Romanen des 18. Jahrhunderts steht die Frau als verfolgte Unschuld (Pamela, Clarissa) neben der Verführerin (Manon Lescaut) und dem Freudenmädchen (Fanny Hill). Aber auch die Männerrollen schwanken zwischen grausamem Verführer (Lovelace, die Helden de Sades) und schmachtenden Opfern (Werther, de Grieux). Erst langsam setzt sich das Ideal des vernünftigen Umgangs mit den Trieben, die Verbindung von Liebe und Vernunft durch, wie sie Gellert exemplarisch im „Leben der schwedischen Gräfin von G.“ darstellt und wie sie die bürgerliche Sexualmoral des 19. und auch noch 20. Jahrhunderts prägen wird. Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck – wird Sigrid Schmid, Universitätsprofessorin am Institut für Germanistik in Salzburg, anhand von Textbeispielen die „Erfindung der Liebe“ in der Literatur nachzeichnen.
Do 02. Mai 2002, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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