Eine ungewöhnliche Klassik nach 1945. Das Werk Peter Handkes
In der lebensbedrohenden Schreibkrise der späten 1970er Jahre wurden für Peter Handke die Wiedergewinnung der Sprache und die Verbindung zur Tradition zu Fragen des Überlebens. Hans Höller zeichnet diese verborgene oder offen zutage liegende literarische Verwandlung der Tradition im Werk Handkes nach. Das Novum von Handkes Werk gegenüber der Weimarer Klassik liege darin, dass er das dort unterbelichtete Soziale ins Spiel bringe, literarisch den Weg nach unten gehe, zu den Nicht-Privilegierten, die Sprengkraft der Materialität der Triebe verteidige und die mediale Dimension der Sprache mitdenke.
Handkes Bücher werden als immer neue Variante von Hölderlins „Komm, ins Offene, Freund“, gelesen, als die schönste literarisch-philosophische Wendung gegen die Weltkrankheit der Depression. Darum findet man in diesem Handke-Buch heitere Studien zu Flüssen, Bergen, Wolken, zu den Spatzen und zum Himmel, dem Licht und den Farben, den Geräuschen und Naturlauten, dem Schnee, den Gasthäusern und Gärten oder dem „terrain vague“, der prekären Zwickelwelt zwischen den Straßen, Eisenbahnlinien oder den Busbahnhöfen und Vorortkaschemmen. Nicht zuletzt aber geht es in diesen Studien um Handkes Sinn für Arbeit und menschliche Würde, der das Zentrum seiner Idee des Klassischen bildet und sein Werk in ungewöhnlichen sozialkritischen Zusammenhängen neu entdecken lässt.
Hans Höller, geboren 1947 in Vöcklabruck, Professor em. für Germanistik an der Universität Salzburg, Verfasser zahlreicher Bücher zur zeitgenössischen Literatur, zu Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Peter Handke, Mitherausgeber der Thomas-Bernhard-Werkausgabe und der Jean-Améry-Ausgabe; zuletzt erschienen im Suhrkamp Verlag „Ingeborg Bachmann: Kriegstagebuch“ (2010) und „Eine ungewöhnliche Klassik nach 1945. Das Werk Peter Handkes“ (2013).
Di 22. Oktober 2013, 20:00 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Eintritt frei | |
Einführung: Hans Höller | |
Mitveranstalter: Fachbereich Germanistik |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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