Familienmuster | Kindheitswelten

Elisabeth Reichart

Die Voest-Kinder

Oberösterreich, Mitte der fünfziger Jahre: Seine ersten Lebensjahre verbringt das Mädchen mit Eltern und Großeltern in einer Kleinstadt an der Donau. Am gegenüberliegenden Ufer steht die Voest, die Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke, gegründet 1938 als Hermann Göring-Werke, wo der Vater arbeitet.

In ihrer magischen Welt ist der Hochofen ein Drache. Doch mit der Übersiedlung der Familie in die Ödnis der Voest-Siedlung lösen sich die Märchen auf, der feuerspeiende Drache verschwindet, und der Ruß ist nur noch schmutzig. Das Mädchen lernt, dass sie über das Tausendjährige Reich keine Fragen stellen darf und dass das Glück erst in der Zukunft liegt, der aber die Puppe, die Musikinstrumente und die Familie geopfert werden. Als erster in der Siedlung wird der Vater als Bauleiter in den Sudan geschickt und kommt nur mehr alle zwei Jahre nach Hause – von Globalisierung spricht noch niemand.

Das Mädchen versucht, sich zurechtzufinden zwischen Schweigen und Wörtern, die sie nicht versteht. Ihr Sehen und Hören erscheint den Erwachsenen als eine Bedrohung, doch deren Erziehungsmaßnahmen können die Phantasien des Mädchens nicht zerstören, und sie entdeckt ihre eigene Welt.

Elisabeth Reichart, geboren 1953 in Steyregg/OÖ, studierte Geschichte und Germanistik in Salzburg und Wien; längere Auslandsaufenthalte in Japan und den USA, lebt als freie Schriftstellerin in Wien. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise, u.a. Österreichischer Würdigungspreis für Literatur, Anton-Wildgans-Preis und Landeskulturpreis Oberösterreich; zuletzt erschienen im Otto Müller Verlag die Romane „Die unsichtbare Fotografin“ (2008) und „Die Voest-Kinder“ (2011).

Mi 19. Oktober 2011, 20:00 Uhr
Literaturhaus Salzburg