Glück und Literatur
Die relativ junge Glücksforschung hat in den vergangenen Jahren einen großen Aufschwung erlebt. Die Zahl der Publikationen und Bücher ist mittlerweile beinahe unüberschaubar geworden. Neben der Philosophie, die sich seit der Antike mit der Frage eines geglückten Lebens auseinandersetzt, und der Theologie sind es heute auch die Biologie, Psychologie, Soziologie, Kulturanthropologie, Staats- und Wirtschaftstheorie, die in diesem Bereich besonders intensiv tätig sind. Die Literaturwissenschaft steht – von einigen Ausnahmen abgesehen – der Frage nach dem Glück in der Literatur eher reserviert gegenüber. Ist das Glück also kein guter Stoff für Dichter, um mit Robert Walser zu sprechen? Und fordert nur das Unglück die Sprache heraus, das Glück hingegen eher das Schweigen? Das Glück erscheint – so die landläufige Meinung – meist als langweilig und banal. Leo N. Tolstoi hat diesen Umstand am Beginn seines Romans „Anna Karenina“ lapidar auf den Punkt gebracht: „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre Weise unglücklich.“ Oder, um mit Johann Nestroy zu sprechen: „Unglück macht immer interessant; ein glücklicher Alltagsmensch ist immer das Uninteressanteste.“ Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck, solange der Vorrat reicht – wird Ulrike Tanzer, Literaturwissenschafterin in Salzburg, diesen Fragen und Einwänden nachgehen und anhand ausgewählter Beispiele zeigen, wie das Glück und das Nachdenken darüber dennoch immer wieder zum Thema für die Literatur wird.
Do 02. März 2006, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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