Hunger. Stillen. Essen und Literatur
„Alles, was gegessen wird, ist Gegenstand der Macht. Der Hungrige fühlt leeren Raum in sich … Der Essende nimmt zu an Gewicht, er fühlt sich schwerer. Es liegt darin eine Prahlerei; er kann nicht mehr wachsen, aber zunehmen kann er, an Ort und Stelle, vor den Augen anderer.“ (Elias Canetti: Zur Psychologie des Essens) Im Essen als zentralem Lebensbereich und Teil wie Ausdruck einer Kultur überschneiden sich Individual- und Gesellschaftsstruktur, verflechten sich physische, psychische, soziale, politische und symbolische Ebenen. Entsprechend sind Bedeutung und Funktion des Essens sozialen Normierungen, damit aber auch historischem Wandel unterworfen. Im Verlauf des Zivilisationsprozesses sind es zunehmend psychische und symbolische Momente, die das Essen bestimmen – gesellschaftlichem Sinnverlust, innerer Leere, Ent-Mündigung und Sprachlosigkeit wird nicht selten mit Essen als sinnlichem Akt begegnet. Im Spannungsfeld von Wunsch und Kontrolle, Fülle und Leere, Askese und Exzeß erfahren bestimmte Formen von Essen gerade unter den Bedingungen eines fortgeschrittenen Kapitalismus als „Abweichung“ in Krankheiten wie Magersucht und Bulimie eine besondere Funktion und Symbolik, und in der Stigmatisierung von Fettleibigkeit als Erweiterung von Körpergrenzen eine besondere Ausgrenzung. Essen wird sichtbar als Bereich, in dem sich eine zunehmende Auflösung des Ich manifestiert und gleichzeitig nach Auswegen sucht. Sowohl das Essen als sozialer Akt als auch seine symbolische Besetzung sind für die Literatur der Moderne von Bedeutung. Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck – wird Petra Nagenkögel anhand von exemplarischen Textbeispielen (von Grass, Fels, Kolbe, Bernhard u.a.) den vielfältigen realen wie metaphorischen Erscheinungsformen und Deutungsmustern von Essen in der Literatur und ihrer Funktion im Textzusammenhang nachgehen.
Do. 11. April 2002, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Nahaufnahmen 30
Am Beginn stehen zwei Abschiede – der Salzburger Schriftsteller Walter Kappacher ist am 24. Mai dieses Jahres verstorben, Bodo Hell wird seit 9. August am Dachstein vermisst. Beide auf ihre Weise so prägenden Autoren wollen wir in Erinnerung behalten. In der ersten SALZ-Ausgabe 1975 hat Hans Weichselbaum mit Walter Kappacher ein Interview geführt, das wesentliche Züge seines Schreibens zur Sprache bringt, hier lesen Sie einen Wiederabdruck. Weggefährt:innen von Bodo Hell, der in so vielen Künsten unterwegs war, haben wir um Beiträge gebeten, die seine Literatur, die nicht von seinem Leben zu trennen ist, würdigen. /// Gratulieren können wir ...
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