Jean Amérys Lesekunde nach 1945
Jean Améry (1912–1978) ist in Österreich noch immer nicht entdeckt. Obwohl er, nach 1945 im belgischen Exil geblieben, an Österreich mit einer seltenen Liebe hing. Es ist kein Zufall, dass er zum Sterben zurückkam und sich in einem Hotel in Salzburg, das damals „Österreichischer Hof“ hieß, das Leben nahm. Sein österreichischer Hof, dem er anhing, war die Literatur und der sprachkritische Rationalismus der klassischen österreichischen Moderne.
Es gibt wahrscheinlich wenige andere so leidenschaftliche, reflektierte und exponierte Leser im 20. Jahrhundert. „Leidenschaftlich”, weil das Lesen zu seinem Leben gehörte; „reflektiert”, weil er aus der philosophischen Schule des Wiener Kreises kam und aus der volkspädagogischen Bewegung des Roten Wien; „exponiert”, weil er als Exilierter, als Jude und Widerstandskämpfer, als Gefolterter und als Auschwitzhäftling, die äußersten Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts durchmachte.
Darum sind auch seine Rezensionen der damals zeitgenössischen Literatur (er hat u.a. über Ingeborg Bachmann und Thomas Bernhard geschrieben) selbst dort aufschlussreich, wo er, und das ist oft der Fall, von seinen Erfahrungen her vieles nicht verstehen kann.
Bei Améry kann man vor allem lernen, klar und verständlich über das Gelesene und das große Abenteuer des Lesens zu sprechen.
Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck, so lange der Vorrat reicht – wird der Literaturwissenschafter Hans Höller, Professor am Fachbereich Germanistik, nach einer kurzen Einleitung in Leben und Werk anhand ausgewählter Beispiele über Amérys Kunst des Lesens sprechen.
Do 06. Dezember 2012, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Vollpreis: 6,– € | Ermäßigt: 4,– € | Mitglied: 4,– € |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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