Essen und Trinken in der Vormodernen Liebesdichtung
Ein höfischer Liebhaber – so heißt es in einer spätmittelalterlichen Verserzählung (Der Stricker: Die Minnesänger, V. 287-292) –, der über alle Maßen verliebt ist, braucht nicht mehr als ein Lerchenbeinchen, um seinen Hunger zu stillen. Diese Aussage ist symptomatisch für den Zusammenhang von Essen, Trinken und Liebe in der Liebesdichtung des 12. und 13. Jahrhunderts. Untersucht man nämlich Texte wie Gottfrieds von Straßburg „Tristan“, Hartmanns von Aue „Iwein“ oder den hohen Minnesang in Hinblick auf das Verhältnis von Nahrungs- und Minnethematik, entdeckt man, dass Essen und Trinken in Liebesbeziehungen zumeist keine Rolle spielen. Weder werben die Minnediener mit Nahrungsmitteln um ihre Dame, noch halten Paare wie Tristan und Isolde gemeinsame Liebesmahle ab. Die häufige Absenz des Alimentären in mittelalterlichen Liebesdarstellungen ist ein Phänomen, das durch die kulturspezifischen Codierungen von Nahrungsakten zu erklären sein dürfte. Überspitzt formuliert könnte man sagen: Tristan und Isolde essen und trinken nicht, weil sich mit der Darstellung von alimentärer Bedürfnislosigkeit ganz bestimmte Vorstellungen von Liebe verbinden, die für den literarischen Entwurf dieser Beziehung konstitutiv sind.
Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck – geht Anna Kathrin Bleuler, Assistenzprofessorin am Fachbereich Germanistik, der Frage nach kulturspezifischen Normen und Wertsetzungen nach, die die Bedeutung von Nahrungsakten im höfischen Liebesdiskurs des Mittelalters organisieren. Hierfür wird eine breite Palette an Texten und Bildern vorgestellt, die Aussagen über das Verhältnis von Essen, Trinken und Liebe enthalten, angefangen bei höfischen Manierschriften, Hofhaltungs- und Kochbüchern über minnedidaktische Texte bis hin zu Texten aus dem klerikalen Bereich, wie mittelalterliche Ordensregeln und Klosterberichte.
Do 02. Mai 2013, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Vollpreis: 6,– € | Ermäßigt: 4,– € | Mitglied: 4,– € |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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