Marlene Streeruwitz
EntfernungIn ihrem jüngsten Roman „Entfernung.“ schickt Marlene Streeruwitz ihre Heldin nach London. Dr. Selma Brechthold, 49 Jahre, Expertin für zeitgenössisches Theater, wurde von den Wiener Festwochen gekündigt und von ihrem langjährigen Lebensgefährten Anton verlassen, der sich mit einer jungen Ungarin doch noch das familiäre Vaterglück erfüllt. In einem Akt von Selbsttäuschung erhofft sie in London ihr berufliches Weiterkommen zu organisieren. Dass es nicht nur ums Fortkommen, sondern ums Überleben geht, wird sie erfahren müssen, als sie am 7. Juli 2005 auf einer U-Bahn-Fahrt in das Terrorattentat gerät. Selma Brechthold hat sich angepasst und perfekt funktioniert im neoliberalen Kulturbetrieb, in dem die Kunst nur mehr als „Komplettierung eines Lebensstils“ dient. Sie weiß um die gesellschaftlichen Verhältnisse und ist dennoch überrascht, als sie selbst als zu alt aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden und auf sich selbst verwiesen wird. Schonungslos verweist das ästhetische Programm von Marlene Streeruwitz mit fragmentarischen Sätzen und Bildverweigerung auf ihre politische Haltung: Beschreibung der Beschädigungen des gegenwärtigen Lebens.
Marlene Streeruwitz, geboren 1950 in Baden bei Wien, lebt und arbeitet als freie Schriftstellerin in Wien. Für ihre Romane, Theaterstücke, Erzählungen und Essays ist sie mit zahlreichen Preisen geehrt worden, u.a. Mara-Cassens-Preis und Walter-Hasenclever-Preis. Zuletzt erschienen der Roman „Jessica, 30.“ (2003), die Novelle „Morire in levitate“ (2005), die Vorlesungen „Gegen die tägliche Beleidigung“ (2004) und der Roman „Entfernung.“ (2006) im S. Fischer Verlag.
Büchertisch: Rupertus Buchhandlung
Di 07. November 2006, 20:00 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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