Marlene Streeruwitz
VerführungenWien im Jahr 1989: Helene hat früh geheiratet, lebt seit zwei Jahren aber getrennt von ihrem Mann. Der Anspruch, eine perfekte Mutter, Geliebte, Tochter und gut im Job zu sein, überfordert sie. Selbstvergewisserung und Nähe, die sie von ihrem Mann Gregor nicht mehr bekommen kann, sucht sie bei anderen Männern. Diese Männer gehen, wenn sie benötigt werden, und kommen, wenn ihr Gehen von Helene gerade verkraftet wurde. Helenes Alltag wird zusehends zu einem Existenzkampf, zu einer Folge von mal harten, mal banalen, dann wieder von Hoffnung genährten Ausflügen in die Welt der Männer, die am Ende nur ein Ergebnis haben: Helene muß sich behaupten. Wer glaubt, diese Alltagsgeschichten seien langweilig, der irrt. Die sogenannte Normalität ist oft haarsträubender als jeder Thriller über ausgesuchte Verbrechen, weil sie nicht vom Rand der Gesellschaft , sondern aus ihrer Mitte erzählt. Streeruwitz bedient sich einer „beschädigten Sprache“, um eine „beschädigte Chronik eines beschädigten Lebens“ zu dokumentieren. Die stark rhythmisierte, kraftvolle Prosa steht in reizvollem Kontrast zur altmodischen Form einer allwissenden Erzählerin und einem chronologischen Handlungsverlauf.
Marlene Streeruwitz, geboren in Baden bei Wien, studierte Slawistik und Kunstgeschichte, lebt als Schriftstellerin und Regisseurin in Wien. Sie schreibt Lyrik und Prosa. Veröffentlichungen: „Bagnacavallo. Brahmsplatz“ (Zwei Stücke), „New York. New York. Elysian Park“ (Zwei Stücke), „TOLMEZZO“ (Eine symphonische Dichtung), „Waikiki-Beach. Sloane Square“ (Zwei Stücke), „Verführungen“ (Roman).
Mi 16. April 1997, 20:00 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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