‚O Sie dalkete Fee‘ – Johann Nestroys Fortuna
Von Johann Nestroys meistgespielter Posse „Der böse Geist Lumpacivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt“ (1833) ist im Gedächtnis des Publikums lediglich die irdische Handlung haften geblieben: die Geschichte von den drei vazierenden Handwerksburschen, die – mit Hilfe Fortunas – die richtige Losnummer erträumen und damit unvermutet zu Reichtum kommen. Meist unbeachtet bleibt die von Geistern, Feen und Magiern bevölkerte überirdische Ebene, die wesentlichen Anteil an der komplexen Komposition des Stückes hat. Die Geisterwelt erfüllt im Nestroyschen Frühwerk noch eine wichtige Funktion, die zentrale allegorische Figur ist Fortuna, die „Beherrscherin des Glücks“. Im Gegensatz zu Ferdinand Raimund, der die barocke Idee einer stabilen Welt- und Gesellschaftsordnung noch ernst nimmt, hat sich Nestroy davon verabschiedet. Der so genannte Zauberapparat wird zur sinnentleerten Schablone und dazu benützt, um angesichts der Produktionsbedingungen der Vorstadttheater in geradezu schonungsloser Offenheit, die Ohnmacht und Verkommenheit der überirdischen Instanzen darzustellen. Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck, solange der Vorrat reicht – wird Ulrike Tanzer, Literaturwissenschafterin am FB Germanistik der Universität Salzburg, am Beispiel der beiden Possen „Lumpacivagabundus“ (1833) und „Zu ebener Erde und erster Stock oder Die Launen des Glückes“ (1835) Nestroys parodistischen Umgang mit der Fortunatradition näher beleuchten.
Büchertisch: Rupertus Buchhandlung
Do 14. Juni 2007, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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