Olga Martynova
Sogar Papageien überleben uns„Was weiß ich noch von diesem Winter? Es war nicht mehr viel übrig von der Sub- stanz der uns vertrauten Zeit. Sie wurde flüssig. Sie wurde spärlich. Man konnte sehen, dass sie fast alle war. Die runde abgeschlossene Welt, in die ich geboren war, flog wie ein Luftballon fort.“
Olga Martynova, bekannt als Lyrikerin und Essayistin, führt in ihrem ersten – auf Deutsch geschriebenen – Roman „Sogar Papageien überleben uns“ die Arbeit des Erinnerns und des Gedächtnisses vor. Assoziativ bewegt sich ihr Buch durch die Zeiten, durch Vorder- und Hinteransichten der Welt, durch die vielen Aspekte von Wirklichkeit. Wir lesen darin von der russischen literarischen Avantgarde ebenso wie von Hippies und Landkommunen in Innerasien, wir begleiten die Protagonisten auf Reisen nach Sibirien und in ein buddhistisches Kloster, und wir folgen Martynovas präziser und facettenreicher Sicht auf Deutschland.
Die Vergangenheit ist nicht vergangen – wenigstens nicht in diesem Roman, der ein ganzes Jahrhundert sowjetischer Geschichte Revue passieren lässt und ihren Revolutionen, ihren Brüchen und Widersprüchen genauso nachspürt wie ihrer Wandelbarkeit.
Olga Martynova, 1962 geboren, in Leningrad aufgewachsen. Studierte russische Sprache und Literatur; lebt seit 1991 in Deutschland. Sie schreibt Lyrik auf Russisch und Prosa auf Deutsch. Veröffentlichungen u.a. „Brief an die Zypressen“ (Gedichte, 2001), „Wer schenkt was wem“ (Essays, 2003), „Rom liegt irgendwo in Russland“ (Gedichte, 2006), „In der Zugluft Europas“ (Gedichte, 2009). Für ihren ersten Roman „Sogar Papageien überleben uns“ (Droschl Verlag 2010) erhielt sie den Adalbert-von-Chamisso-Förderpreis.
Do 14. April 2011, 20:00 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Einführung: Eva Hausbacher | |
Mitveranstalter: prolit, Fachbereich Slawistik |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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