Ritual und Literatur
Ritual und Literatur – zwei unterschiedliche kulturelle Ausdrucksformen, die auf den ersten Blick nur wenig verbindet, die jedoch bei näherer Betrachtung weit mehr Gemeinsamkeiten und Bezugspunkte aufweisen, als es zunächst den Anschein hat. So ist in den letzten Jahren das Ritual wieder verstärkt in das Blickfeld der Literaturwissenschaft gerückt. Für eine „rituelle“ Betrachtung bietet sich vor allem der Text selbst an, der auf thematischer, formaler und sprachlicher Ebene Bezüge zum Ritual nehmen kann. Aber auch innerhalb des Literaturbetriebes lassen Organisation und Produktion von Literatur sowie der Umgang mit Schriftstellern und deren Werken oft rituelle, manchmal kultische Züge erkennen. Diese vielfältigen Verflechtungen sollen anhand des Romans „Domra“ (1996) und der Erzählung „Wenn es soweit ist“ (1998) von Josef Winkler dargestellt werden. Beide Texte thematisieren die Toten- und Trauerrituale in zwei unterschiedlichen Kulturräumen – Indien und Österreich –, zeigen aber auch in der sprachlichen Gestaltung ihre Nähe zum Ritual, indem Winkler Anleihen bei der katholischen Liturgie und anderen rituellen Texten nimmt. Winkler formuliert in einem seiner ersten Bücher: „Ich freute mich auf die religiösen Riten am Karfreitag und Karsamstag, und diese Riten führt meine Prosa fort“, womit er den hohen Stellenwert zeigt, den das Ritual in seinem Werk von Anbeginn besitzt. Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck, so lange der Vorrat reicht – wird die Literaturwissenschafterin Valerie Neulinger, die derzeit in Linz unterrichtet, ihre an der Salzburger Universität vorgelegte Diplomarbeit mit Textbeispielen präsentieren.
Do 07. Februar 2008, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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