Robert Musils Gesellschaftskonstruktion in ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘
Musils monumentaler Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ (1930/32/postum) wurde in den vergangenen Jahrzehnten meist unter dem Gesichtspunkt seiner Qualität als „Literaturroman“ diskutiert: Inwiefern bezieht sich der ‚unendliche’ essayistische Erzähltext auf die Grundlagen und Möglichkeiten von Literatur überhaupt? Vernachlässigt wurde dabei der von Musil selbst immer wieder hervorgehobene zeitdiagnostische und zeitkritische Anspruch. Ihm ging es ja ausdrücklich und recht unbescheiden um einen „Beitrag zur geistigen Bewältigung der Welt“ – worunter er nicht nur eine Buchwelt verstand, sondern durchaus die katastrophische ‚Wirklichkeit’ des 20. Jahrhunderts – mit den Mitteln der Literatur. Seine literarische Gesellschaftsanalyse ist ein Unikum in den großen Romanen der europäischen ‚Klassischen Moderne’, zumal sie zugleich versucht, dem Glauben an eine festgefahrene ‚Wirklichkeit’ unveränderlicher menschlicher ‚Eigenschaften’ einen utopischen, d.h. zukunftsoffenen ‚Möglichkeitssinn’ entgegenzustellen. Dieses – Musil zufolge – in allen Menschen vorhandene, häufig nur verschüttete Potenzial gelte es durch die Literatur zu erkunden und freizulegen.
Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck – wird Norbert Christian Wolf, Professor am Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg, anhand ausgewählter Beispiele und historischer Bezüge einige Aspekte der literarischen Sozioanalyse Musils beleuchten. Es handelt sich um Ergebnisse eines Buchs, das 2010 unter demselben Titel im Böhlau Verlag Wien (Reihe Literaturgeschichte in Studien und Quellen) erscheinen wird.
Do 15. April 2010, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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