Tristan und Isolde
Die Mythe von Tristan und Isolde ist eines der bemerkenswertesten Geschenke des Mittelalters an die Weltliteratur – vielleicht auch deshalb, weil sie voller Widersprüche und Widerstände ist. Genau darin gründet freilich ihre literarische Produktivität. Erzählt wird von einer unverbrüchlichen Liebe, die für sich genommen ideal ist. Zugleich ist sie nicht selbst bestimmt, sondern einem magischen Mittel, dem Liebestrank, geschuldet. Und da sie eine Ehebruchsliebe ist – Isolde ist ja König Markes Frau und Tristan sein Neffe und Vasall –, steht sie gegen Gesetz und Loyalität. Schon das Mittelalter hat zahlreiche Bearbeitungen hervorgebracht. Wir wollen uns mit der wichtigsten mittelhochdeutschen Fassung, dem fragmentarischen Tristanroman Gottfrieds von Straßburg (um 1205/10) auseinandersetzen. Gefragt werden soll nach der ästhetischen und kulturellen Vielschichtigkeit des Textes. Wir wollen dabei von jener Szene ausgehen, die Gottfrieds Roman nicht mehr schildern konnte, die aber den Höhepunkt der Geschichte ausmacht: nämlich vom Liebestod, wie er in der Fortsetzung Heinrichs von Freiberg (um 1280) berichtet wird. Von hier aus werden wir auf Liebestrank und Listszenen, auf erotische Vereinigung und Trennung blicken. Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck, so lange der Vorrat reicht – wird uns Manfred Kern, Professor am Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg, die Kulturarbeit des Romans vor Augen führen: Sie besteht nicht zuletzt in einem neuen Verständnis von Welt und Weltbezug, das hier entworfen wird.
Do 03. April 2008, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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