Vladimir Vertlib
Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur
„Du siehst“, erklärte Rosa ihrer Freundin Mascha, „man kann diesen Leuten alles einreden. Sie haben nicht den scharfen Blick, weil sie nie in die Dunkelheit geschaut haben, durch die wir uns oft im Leben tasten müssen, wenn wir nicht einfach die Augen schließen und drauflosgehen. Diese Leute haben es noch nie ausgehalten, ihre Augen lange offen zu halten, und warum sollte ich diesen Umstand nicht ausnützen?“ Über neunzig Jahre alt ist Rosa Masur, als sie in Gesprächen für ein Jubiläumsbuch aus ihrem Leben erzählt. Erst vor einigen Monaten ist sie mit ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter aus Rußland ausgewandert und lebt nun in der deutschen Stadt Gigricht. Rosa erinnert sich an ihre Kindheit im Städtl Witschi, an Pogrome, den politischen Terror, den Zweiten Weltkrieg und Stalins Judenverfolgungen. Vladimir Vertlib erzählt spannend und mit viel Ironie von Luftmenschen und Schmugglern, Menschenfressern und Hexen, Antisemiten und Bürokraten. Offen bleibt, was Erinnerung, was Erfindung in Rosas Geschichten ist. Rosa Masur hat ein „besonderes Gedächtnis“.
Vladimir Vertlib, geboren 1966 in Leningrad, emigrierte 1971 mit seiner Familie nach Israel, von 1972 bis 1980 „Odyssee“ durch Europa, Israel und die USA, seit 1981 in Österreich. Studium der Volkswirtsschaftlehre in Wien, lebt seit 1993 als freier Schriftsteller, Sozialwissenschaftler und Übersetzer in Salzburg und Wien. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen, Förderpreis des Adalbert-Chamisso-Preises 2001, Anton-Wildgans-Preis 2002. 1995 Debüt mit der Erzählung „Abschiebung“, die Romane „Zwischenstationen“ (1999) und „Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur“(2001) erschienen im Deuticke Verlag, Wien.
Mo 04. November 2002, 20:00 Uhr | |
Stadtbücherei Radstadt | |
Eintritt frei |

Abgelichtet
„Den Menschen, der auf dem Portrait abgebildet ist, gibt es so nicht. Es gibt nur die Vorstellungen, die man sich von ihm macht. Und wann wurden, darf man sich fragen, unsere Vorstellungen je der Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit anderer gerecht?“
Diese Ambivalenz wird nicht nur von Iris Wolff betont, ambivalente Empfindungen und Eindrücke
sind es auch, die viele der Autorinnen und Autoren dieser SALZ-Ausgabe zum Thema AutorInnenfotografie zum Ausdruck bringen.
Autorschaft ist schon lange undenkbar ohne die fotografische Inszenierung der Person der Autorin, des Autors, spätestens seit der Etablierung einfacher und günstiger Vervielfältigungstechniken ...
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