Vladimir Vertlib
Schimons SchweigenOrtswechsel hat er viele hinter sich, der Erzähler im neuen autobiographischen Roman von Vladimir Vertlib. Als Kind emigrierte er aus Leningrad nach Israel, ein Land, das für seinen Vater, der im zionistischen Untergrund aktiv war, zu einer bitteren Enttäuschung wurde. Es folgte eine lange Kette von Emigrationen nach Italien, in die Niederlande, die USA und wiederholt sowie schlussendlich nach Österreich. Die Freundschaft des Vaters mit Schimon, seinem einst engsten Verbündeten, brach dabei jäh ab. Weshalb kam es nie zu einer Aussprache?
Der Vater ist tot. Nach mehr als dreißig Jahren kehrt der Erzähler auf einer Lesereise an Orte seiner Kindheit in Israel zurück, die schmerzhafte Erinnerungen wach rufen, und begegnet schließlich auch Schimon. Die Reise wird für den Schriftsteller, Vertlibs Alter Ego, zu einer dramatischen Auseinandersetzung mit sich selbst.
Zwischen die Diskussionen mit Verwandten und Freunden schieben sich Erinnerungen aus dem Österreich der 1980er Jahre, in denen er als Student die Waldheim-Affäre und unverhüllte Fremdenfeindlichkeit erlebt hat. Er wird in Israel mit seinen eigenen brüchigen Identitäten als russischer Jude, Österreicher und Emigrant konfrontiert. Vladimir Vertlib beweist in seinem neuen Roman „Schimons Schweigen“, der an seinen Roman „Zwischenstationen“ (1999) anschließt, erneut seine Kunst der feinen, jedoch scharfsinnigen Ironie.
Vladimir Vertlib, geboren 1966 in Leningrad, emigrierte mit fünf Jahren nach Israel, danach in die USA und über zahlreiche Umwege nach Österreich, wo er Volkswirtschaftslehre studierte und als freier Schriftsteller in Salzburg und Wien lebt. Für seine Werke wurde er unter anderem mit dem Anton-Wildgans-Preis ausgezeichnet, 2006 Chamisso-Poetikdozentur in Dresden. Zuletzt erschienen bei Deuticke „Am Morgen des zwölften Tages“ (Roman, 2009) und „Schimons Schweigen” (Roman, 2012).
Do 01. März 2012, 19:00 Uhr | |
Synagoge, Lasserstraße 8 | |
Vollpreis: 8,– € | Ermäßigt: 6,– € | Mitglied: 4,– € | |
Mitveranstalter: Zentrum für jüdische Kulturgeschichte, Israelitische Kultusgemeinde |
Erste Lektüren
„Was man früh gelesen hat, löst sich oft seltsam auf. Es bleibt nicht im Buch, hat auch keinen davor, der es erst geschrieben hat. Man ist als Kind mit Haut und Haaren hier durchgewandert, ohne Sinn für Worte; man nahm sie gar nicht wahr. Hat so gelesen, wie man jetzt einen spannenden Film sieht, war an ein altes Bildersehen angeschlossen. Da man noch kein Ich war oder nur zuweilen, brauchte man auch keinen Helden, das kam erst später.“ Ernst Bloch, Das Wirtshaus im Spessart
In SALZ Erste Lektüren rufen sich Autor:innen in Erinnerung, was es bedeutet, die Welt der Bücher zu entdecken, ein Buch das erste Mal aufzuschlagen. Sei es ein ...
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