Vom Sehen in der Literatur
In der Neuzeit gewinnt das Sehen eine alle anderen Sinne überragende Bedeutung. Im Wandlungsprozeß des Visuellen in seiner historischen, kulturellen und psychischen Dimension schafft der Blick neue Bedeutungen und besetzt zentrale Lebensbereiche mit realen wie imaginären Bildern, lange vor der „Entfesselung der Bilder“ im 20. Jahrhundert. Mit der Entwicklung der Zentralperspektive seit der Renaissance, mit der Entstehung des distanzierenden und zugleich unersättlichen Blicks rückt die für das Subjekt der Moderne zentrale Frage nach Wirklichkeit und Identität jenseits vorgeprägter Bilder in den Vordergrund. Überwältigt von disparaten Eindrücken und einer (Über)Fülle visueller Reize, die in der gegenwärtigen medialen Wirklichkeit mit ihrer Dominanz des Visuellen am vorläufigen Höhepunkt scheint, bieten sich aber dem Blick im Grenzbereich von Realität und Simulation keine verläßlichen Orientierungen mehr. Dem beschriebenen Prozeß zuwiderlaufend, scheint die Literatur der Gegenwart noch andere Bedeutungen des Sehens zu entwerfen. Im Unterschied zum perspektivischen Blick, der die Wahrnehmung bündelt und eine Trennung zwischen Subjekt und Objekt herstellt, geht es in Texten von z.B. Peter Weiss, Ingeborg Bachmann, Heiner Müller, Anne Duden um eine grenzüberschreitende Praxis der Wahrnehmung, um einen archäologischen Blick, der in alle Zeiten, alle Richtungen gleichzeitig sieht und dem so das gesellschaftlich Ausgesparte, Ausgegrenzte, das Darunterliegende ins Sichtfeld kommt: „Die Spuren müssen nur aufgespürt werden. Immer notwendiger wird ein nachspürender Blick, ein spürendes Auge, ein Blick, der viele Spuren auf einmal, die untersten und die obersten und alle dazwischen sehen/erkennen lernt.“ (Anne Duden) Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck – wird Petra Nagenkögel verschiedenen Bedeutungen und Entwürfen des Sehens in der Literatur nachgehen, in historischer und insbesondere unter geschlechtsspezifischer Perspektive.
Do 10. April 2003, 10:30 Uhr | |
Literaturhaus Salzburg | |

Über Grenzen
„Und weil ich hier auf der Hausbank sitze, … glaube ich, … dass mich niemand mehr von hier vertreiben darf, denn wo einer allein auf der Hausbank sitzt, da ist er auch zu Hause.“
Von der Hausbank aus richtet Cornelius Hell seinen Blick in die Vergangenheit, in die Weite und in seine Träume. Und schreibt auch davon, dass
er an Grenzen „sehen gelernt hat“. Die Grenzen sind für alle Autorinnen und Autoren in diesem SALZ andere, Grenzen der Kindheit, der Sprachen,
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